Unter dem Begriff "Rallye" versteht man im Motorsport-Bezug zumeist die Jagd waghalsiger Piloten in leistungsstarken Autos nach Bestzeiten. Dabei werden auf unterschiedlichen Straßenbelägen mehrere Wertungsprüfungen absolviert.
Beschäftigt man sich näher mit der Begrifflichkeit "Rallye", so stellt man fest, dass dieses Wort französischen Ursprungs ist und in etwa so viel bedeutet wie "zusammenbringen", "sammeln" bzw. "sich versammeln". Dieser Begriff passt nun gar nicht zur Bestzeitjagd der aktuellen Rallye-Szene. Die Erklärung liegt in den Anfängen des Rallyesports: Als man begonnen hat, das Automobil sportlich einzusetzen, stand nicht die Geschwindigkeit, sondern vor allem die Zuverlässigkeit im Mittelpunkt. 1911 fand mit der Rallye Monte Carlo die erste Rallye statt. Die "Mutter aller Rallyes", die heutzutage eine Bestzeitrallye der Rallye Weltmeisterschaft ist, war damals als Sternfahrt angelegt, um in der Wintersaison vermögende Touristen aus ganz Europa ins Fürstentum Monaco zu locken. Initiiert wurde sie von Fürst Albert I. 20 Teilnehmer brachen am 21. Januar 1911 in sechs verschiedenen europäischen Städten in Richtung der französischen Seealpen auf.
Es gab mehrere Gewinnmöglichkeiten - z.B. in Bereichen wie Geschwindigkeit oder in gefahrenen Kilometern - oder auch in Bereichen wie dem Komfort der Reisenden oder auch dem Zustand der Karosserie, die auf den mit Schlaglöchern übersäten Straßen ordentlich leiden musste.
Nach dem Ersten Weltkrieg kamen einige Fahzeughersteller in die Szene, welche die Rallye Monte Carlo als Härtetest für ihre neuen Modelle nutzten. Die Rallye brachte siegreichen Fabrikaten hohe Absatzzahlen ein.
In diesen Zeiten konnte man bei einer erfolgreichen Rallye die Zuverlässigkeit unter Beweis stellen. Nicht selten kamen nur wenige Fahrzeuge am Ziel an.
Die Zeiten haben sich gewandelt. Die Straßen und die Infrastruktur wurden besser und eine bloße Navigation mittels Karte war bald zu "einfach" geworden. Davon abgesehen wurden die Fahrzeuge robuster, sodass die großen Distanzen der Zuverlässigkeitsfahrten keine angemessenen Herausforderungen mehr darstellten.
So wurden Rallyes künstlich erschwert. Fahranweisungen wurden "verschlüsselt" und es mussten bestimmte Routen "gefunden" werden.
In den 1950er Jahren professionalisierte sich der Rallye-Sport und schon 1956 wurde zum ersten Mal eine Deutsche Meisterschaft ausgetragen. Bis in die 1960er Jahre hatten die "Orientierungsfahrten" enorme Popularität in Deutschland.
Es folgte der Trend zu immer leistungsstärkeren Fahrzeugen und zu immer sportlicheren Aufgabenstellungen. Es musste entweder ein vorgegebener Schnitt (Durchschnittsgeschwindigkeit) oder eine vorgegebene Zeit (Sollzeit) exakt gefahren werden. Technische Hilfsmittel im Cockpit wie Stoppuhren und mechanische Wegstreckenzähler wurden unverzichtbar. Das Zusammenspiel zwischen Fahrer und Beifahrer wurde immer wichtiger und vor allem der Beifahrer war bei den Wettkämpfen enorm gefordert.
In der internationalen Rallye-Szene wurden die Bestzeitprüfungen immer bedeutender. Auf abgesperrten Strecken geht es dort um Sekundenbruchteile während die Orientierung zwischen den einzelnen Wertungsprüfungen nur noch eine untergeordnete Rolle hat.
Noch bis in die 1970er Jahre waren hierzulande die Orientierungsfahrten beliebter als die Bestzeitrallyes. Dies änderte sich spätestens Mitte der 1970er Jahre mit der Olympia-Rallye 1972 von Kiel nach München und dem Sieg von Walter Röhrl bei der Rallye Europameisterschaft 1974.
In den 1980er Jahren wurden die Rallyefahrzeuge der Rallye Weltmeisterschaft immer schneller und leistungsstärker: 500 PS und Allradantrieb in Fahzeugen der Gruppe B. Die Fahrer, welche diese Fahrzeuge am Limit beherrschen konnten, waren rar. Viele tödliche Unfälle beendeten 1986 diese Ära. Fortan waren die Fahrzeuge der Gruppe A mit ca. 300 PS die Spitze der Weltmeisterschaft.
Lancia gelang die Umsetzung des neuen Reglements am besten. Von 1987 bis 1992 holten die Italiener sechs Konstrukteurs-Weltmeisterschaften in Folge. Mitte der 90er Jahre war die Rallye-Weltmeisterschaft fest in japanischer Hand: Toyota, Mitsubishi und Subaru waren die Titelanwärter.
Ab 1998 waren die World Rallye Cars die internationale Topklasse im Rallyesport und die erfolgreiche Zeit der französischen Konstrukteure Peugeot und Citroen begann. Von 2004 bis 2012 gewann der Franzose Sébastien Loeb 9 Fahrer-Weltmeistertitel in Folge - alle auf Citroën.
Ständig werden die Rallyeautos für die Rallye-Weltmeisterschaft weiterentwickelt. Neue Technologien werden auf Schotter, Asphalt, Schnee und Eis im Rallyesport getestet, bevor sie in Serie gehen. Fahrer und Beifahrer müssen auch in der Gegenwart des Rallyesports perfekt zusammenarbeiten, um erfolgreich zu sein. Macht der Beifahrer einen Fehler, verliert auch der Fahrer. Daher gilt vom Orientierungssport bis zur modernen Bestzeit-Rallye: "Das Hirn sitzt rechts" - zumindest bei einem links gelenkten Fahrzeug.
Auch im Breitensport - aus dem sich diese Sportart ursprünglich entwickelt hat - erfreut sich der Rallyesport nach wie vor großer Beliebtheit: Zahlreiche regionale Rallye-Läufe, z. B. im Format Rallye 35 oder Rallye 70 (mit bis zu 35 bzw. 70 Kilometer an Wertungsprüfungen) werden u. a. von ADAC Ortsclubs veranstaltet und haben ihren festen Platz im Motorsportkalender. Einen Einstieg in die Rallye-Szene bietet die ADAC Retro Rallye: Hier können bei Gleichmäßigkeitsrallyes materialschonend erste Erfahrungen im Rallyesport gesammelt werden - somit kehrt die ADAC Retro Rallye zu den Ursprüngen dieses Sports zurück.